Eine kürzlich durchgeführte Studienreise des Brehm Fonds unter Leitung des Ornithologen und Brehm Fonds-Mitarbeiters Dr. André Weller führte die Teilnehmer an die türkische Mittelmeerküste. Das Land bietet eine faszinierende Mischung aus Naturschönheiten und kulturellen Reichtümern. Von Belek aus starteten unsere Tagesexkursionen in Richtung Antalya, Kemer, Side oder ins benachbarte Taurus-Gebirge, wobei unser Hauptaugenmerk der Vogelwelt und der überaus bemerkenswerten Frühjahrsflora galt, darüber hinaus auch den Besonderheiten der terrestrischen Fauna. Die Pflanzenwelt besticht durch außerordentlich farbenprächtige Arten und interessante Endemiten, wie wilde Tulpe (Tulipa sp.), Ragwurz-Orchidee (u. a. Ophrys antalyensis, O. phrygia) oder Tragant (Astragalus sp.). Von der Blütenpracht profitieren zahlreiche Insekten; so konnten wir viele interessante Käfer, Schmetterlinge oder Hautflügler nachweisen. Und wo Insekten reichlich vorhanden sind, stellt sich auch eine artenreiche Vogelwelt ein. Als charakteristische Vertreter des südosteuropäischen Mittelmeerraumes ließen sich zahlreiche bemerkenswerte Singvögel im Fernglas oder Spektiv genauer darunter, Masken- (Sylvia rueppelli), Östliche Orpheusgrasmücke (Sylvia crassirostris), Blasspötter (Hippolais pallida), Maskenstelze (Motacilla flava feldegg) und Kappenammer (Emberiza melanocephala). In den küstennahen Salzsteppen fanden sich regional enorme Bestandsdichten an Lerchen, darunter Hauben- (Galerida cristata), Kalander- (Melanocorypha calandra) und Kurzzehenlerche (Calandrella brachydactyla).
Nirgendwo sonst im Mittelmeerraum, und möglicherweise sogar weltweit, ist die Dichte an antiken Fundstätten so hoch wie im Süden Anatoliens. Häufige Begleiter solcher Kulturdenkmäler (wir besuchten u. a. Perge, Seleukeia, Side und Phaselis) sind Mittelmeersteinschmätzer (Oenanthe hispanica) und Felsenkleiber (Sitta neumayer), die auch im Gebirge vorkommen. An Reptilien konnten wir neben dem Hardun (Stellagama stellio), der einzigen Agamenart Europas und Kleinasiens, auch die Maurische Landschildkröte (Testudo graeca) nachweisen, die warme, trockene Küstenbiotope besiedelt. Als Besonderheit fanden wir unter Steinen einen schwarzen Skorpion (Iurus dufoureius), der mit bis zu 10 cm Länge der größte europäische Vertreter dieser Gifttiere ist.
Das mit über 1500 km Länge weit ausgedehnte Taurusgebirge, welches Zentralanatolien von der Mittelmeerküste trennt, kann mit weiteren zoologischen Highlights aufwarten. Ab 1000 m Meereshöhe herrschen Zypressen-Kiefern-Mischwälder vor, in denen sich zahlreiche Vogelarten etablieren konnten. Zu den Besonderheiten der Region zählt neben Türkenkleiber (Sitta krueperi), Balkanlaubsänger (Phylloscopus orientalis) und Felsensteinschmätzer (Oenanthe finschii) auch eine Unterart des Weißrückenspechts (Dendrocopos leucotos lilfordi). In den Felsregionen unweit des Alacabel-Passes konnten wir sogar den endemischen Taurus-Ziesel (Spermophilus taurensis) beobachten. Auf dem höchsten Punkt unserer Tour, dem 2300 m hohen Mt. Tahtali bei Kemer, fand sich die Alpenbraunelle (Prunella collaris), wobei es sich hierbei aus biogeografischer Sicht um die äußerste südliche Grenze der Gesamtverbreitung der Art handeln dürfte.
Höhepunkt unserer Exkursionen war jedoch eine Mehrtagesfahrt ins ca. 400 km östlich gelegene entfernte Göksu-Delta bei Taşucu. Der Fluss Göksu ist in tragischer Weise mit der deutschen Geschichte verbunden, kam hier doch Kaiser Friedrich Barbarossa bei einem Kreuzzug auf nie geklärte Weise ums Leben; eine deutschsprachige Gedenktafel nordwestlich der Stadt Silifke erinnert bis heute daran. Das Delta selbst wird beherrscht von einem Mosaik aus Küstenheide, Feuchtgebieten mit Brackwasserseen und riesigen Schilfgebieten sowie landwirtschaftlichen, teils saisonal gefluteten Flächen (z. B. Reis, Baumwolle). Es ist eines der wichtigsten Vogelrast- und Brutgebiete im nordöstlichen Mittelmeerraum; Vorkommen global stark bedrohter Arten, wie Krauskopfpelikan (Pelecanus crispus), Halsbandfrankolin (Francolinus francolinus), Purpurhuhn (Porphyrio porphyrio) und Dünnschnabelmöwe (Larus genei), belegen diese Ausnahmestellung. Wir konnten auch den farbenprächtigen, mit dem Eisvogel verwandten Braunliest (Halcyon smyrnensis) beobachten, der in der Türkei seine westliche Verbreitungsgrenze erreicht.
So artenreich die Südküste auch ist, so gefährdet sind jedoch zahlreiche Lebensräume, beispielsweise Dünen und benachbarte Feuchtgebiete. Neue, teils gigantisch-grotesk anmutende Hotelanlagen, Freizeitparks oder Siedlungen schießen hier sprichwörtlich wie Pilze aus dem Boden, hinzu kommt die Bewirtschaftung riesiger Flächen mit Bananen-, Erdbeer- oder Tomatenplantagen. Naturstrände und kleinräumige Sumpfgebiete gehören vielerorts bereits der Vergangenheit an und mit ihnen der Lebensraum von Arten wie Rallenreiher (Ardeola ralloides), Spornkiebitz (Vanellus spinosus) oder Streifenprinie (Prinia gracilis). Sofern nicht bald nachhaltige naturschutzpolitische Gegenmaßnahmen ergriffen werden, könnte die von den Teilnehmern erlebte Vergänglichkeit antiker Reiche auch ein Hinweis auf das künftige Schicksal der wenigen noch verbliebenen wertvollen Naturräume entlang der „türkischen Riviera“ sein.