Der tropische Regenwald als artenreichstes Ökosystem der Erde ist zugleich einer der am stärksten gefährdeten Lebensräume. In den letzten 30 Jahren wurden mehr als die Hälfte der Regenwälder unwiederbringlich zerstört. Gleichzeitig sind die Lebensgrundlagen der Tier- und Pflanzenwelt noch höchst unzureichend erforscht. Ökologische Forschung in den Tropen ist aus wissenschaftlichen und anwendungsorientierten Gründen dringend erforderlich, denn die Ergebnisse der Tropenökologie sind ein unerlässliches Fundament für den wissenschaftlichen Naturschutz. Einen wichtigen Schwerpunkt der Untersuchungen durch Wissenschaftler der Arbeitsgruppe „Biologie und Phylogenie tropischer Vögel“, Zoologisches Forschungsmuseum Koenig, Bonn, bildeten Studien zu Interaktionen zwischen Vogelpflanzen und ihren Besuchern am Beispiel der neotropisch weit verbreiteten Kolibris (Bestäuber) und der Tangaren (Samenverbreiter). Daneben wurden Fragestellungen zur Autökologie von anderen in Südamerika endemischen Vogelfamilien wie Ameisenvögeln, Tukanen und Craciden untersucht. Für die Arbeiten, die in enger Zusammenarbeit mit dem Vogelpark Walsrode und dem Zoo und der Universität von Cali, Südwest-Kolumbien, erfolgten, wurde die Forschungsstation „Humboldt“ in Anchicaya genutzt.
Interaktionen zwischen Kolibris und ihren Bestäubern
Kolibris (Trochilidae) sind mit über 330 Arten in Amerika verbreitet. Ein wichtiges Diversitätszentrum liegt in den Anden, wo etwa zwei Drittel aller Arten vorkommen. Kolibris ernähren sich zu 90% von Blütennektar und sind daher neben den Insekten die wichtigsten – und in höheren Berglagen z.T. einzigen – Bestäuber von tropischen Pflanzenarten. Dabei übertragen sie Pollen, der im Federkleid (Kopf-, Kinngefieder) oder am Schnabel deponiert wird, von einer Pflanze zur nächsten und ermöglichen somit Fremdbestäubung. Da zudem der zur Nahrungssuche genutzte Schwirrflug sehr energieaufwändig ist, sind Kolibris ausgezeichnete Studienobjekte für blütenökologische und energetische Untersuchungen. In unserem Projekt wurden die Wechselbeziehungen zwischen Kolibris und den von ihnen besuchten Pflanzen in drei unterschiedlichen Lebensräumen bzw. Höhenstufen in Südwestkolumbien untersucht:
- Bajo Anchicajá, immergrüner Tieflandregenwald, Depto. Valle, ca. 200 m;
- La Planada, Bergregenwald, Depto. Nariño, ca. 1.800 m;
- Páramo de Los Dominguez, Depto. Valle, baumarme Montanzone, ca. 3.700 m.
Während der Feldarbeiten wurden Kolibris mit speziellen Netzen gefangen, farbmarkiert und ihre morphologischen Masse erfasst. Insbesondere die Körpermasse ist entscheidend für den täglichen Energiebedarf (höher bei geringerer Masse), während Schnabellänge und -form Hinweise auf den Grad der Anpassung an bestimmte Nahrungspflanzen geben können. Außerdem wurden tageszeitliche Aktivitätsmuster und Blütenbesuchsfrequenzen von Kolibriarten bestimmt, die zur Abschätzung des täglichen Energiebedarfs herangezogen werden können. Zur Bewertung der Blütenstetigkeit wurden die gefangenen Kolibris auf Pollen an Schnabel und Kopfgefieder kontrolliert. Um die Verfügbarkeit der Nahrungsressource Nektar abzuschätzen, wurden Nektarvolumen- und -konzentrationsmessungen an Blüten verschiedener Nahrungspflanzen durchgeführt.